
Stellungnahme zum Anhörungsverfahren zur Neubekanntgabe des Erlasses „Die Arbeit in den Schuljahrgängen 5 bis 10 der Integrierten Gesamtschule“
Der Landeselternrat Niedersachsen hat im Rahmen seiner Plenarsitzung am 29.08.2025 den Erlassentwurf ausführlich erörtert und mehrheitlich beschlossen, dem Erlassentwurf in der vorliegenden Fassung die Zustimmung nicht zu erteilen.
Ursächlich für diese ablehnende Beschlussfassung war insbesondere und schlussendlich die unter Ziffer 3.2.2 des Erlassentwurfes bzw. der Ziffer 6. der „Hinweise zu den Entwürfen“ ausgeführte Regelung, dass zur Schaffung zusätzlicher Freiräume in der Ausgestaltung der Stundentafel die vorgesehenen Gesamtstunden auch in den Fächern Deutsch, Mathematik und Gesellschaftslehre um jeweils eine Stunde unterschritten werden können. In den Fächern Deutsch und Mathematik vor dem Hintergrund der Befürchtung eines Kompetenzverlustes bzw. einer mangelnden Anschlussfähigkeit, insbesondere bei leistungsschwächeren Schülerinnen und Schülern. In dem Fach Gesellschaftslehre aus dem Grunde, da sicherlich unstrittig die Vermittlung demokratischer Werte und deren Grundlagen zunehmend sogar eines höheren Stellenwertes bedarf.
Darüber hinaus hat der Landeselternrat noch weitere generelle Aspekte wie folgt erörtert:
Die Ausweitung der Möglichkeiten alternativer Lernkontrollen, indessen unter Berücksichtigung geeigneter Formate für Schülerinnen und Schüler deren Stärke eher im schriftlichen Bereich zu finden ist, wird begrüßt, jedoch wird auch die Gefahr gesehen, dass sich dadurch unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe (je nach Schule) ergeben könnten, welche wiederum eine erschwerte Vergleichbarkeit zur Folge haben könnten. Zudem könnte eine sehr unterschiedliche Umsetzung an unterschiedlichen Schulen zum Tragen kommen, welche wiederum abhängig von inneren Einflüssen (Schulleitung / schulseitig handelnde Personen) und äußeren Einflüssen (Sozialstruktur der Schule) Ungleichheiten im Bildungssystem verschärfen könnte. So verfügen nicht alle Schülerinnen und Schüler über die nötige Selbstorganisation mit Blick auf selbstgesteuertes Lernen. Auch könnten zusätzliche Herausforderungen bei einer weiteren Differenzierung in heterogenen Lerngruppen zum Tragen kommen, insbesondere ein höherer Anspruch an Unterrichtsplanung und -durchführung i.V.m. der Gefahr von Über- oder Unterforderung ohne ggf. geeignete und tatsächlich vorhandene Förderstrukturen.
Konkret zu dem Erlassentwurf ist zudem noch Folgendes erörtert worden:
- Zu Ziffer 1.4: Der Ziffer 1.4 ist inhaltlich ausdrücklich zuzustimmen. Gleichwohl sei der deutliche Hinweis erlaubt, dass damit einhergehend die von der Ziffer 1.4 abweichende Einstellungspraxis des MK, nämlich an Gesamtschulen nur Lehrkräfte mit dem Lehramt an Gymnasien einzustellen, nicht zustimmungsfähig ist. Es ist zweifelsfrei irreführend, in dem neuen Erlass unter der Ziffer 1.4 zu avisieren, dass Lehrkräfte mit dem Lehramt an verschiedenen Schulformen an der IGS unterrichten, dieses in der Einstellungspraxis indessen nicht zum Tragen kommen zu lassen.
- Zu Ziffer 3.2.2: Ergänzend zu dem oben bereits zu dieser Ziffer (bzw. der Ziffer 6. der „Hinweise zu den Entwürfen“) genannten Kernkritikpunkt, sei an dieser Stelle ergänzend darauf hingewiesen, dass sich auch die zweite Fremdsprache im Bereich des Wahlpflichtunterrichtes befindet, eine Unterschreitung der Stundenzahl der zweiten Fremdsprache indessen (vor dem Hintergrund der dahingehend mit Blick auf den Bereich der Sekundarstufe II zu erfüllenden Verpflichtung) sicherlich nicht in Betracht kommt und damit klarstellend ausgeschlossen werden muss.
- Zu Ziffer 3.2.3: Das hier genannte ganztägige und ganzheitliche Bildungsangebot wird ausdrücklich begrüßt. Leider ist in der Praxis jedoch festzustellen, dass dieses Bildungsangebot qualitativ unterschiedlich ausgestaltet wird. So wird an älteren IGSen ein ganztägiges reguläres Unterrichtsangebot vorgehalten, während insbesondere die in den letzten Jahren gegründeten IGSen im Nachmittagsbereich kein reguläres Unterrichtsangebot vorhalten und stattdessen andere Angebote den Ganztag sicherstellen. Nur ein ganztägiges reguläres Unterrichtsangebot ist qualitativ hochwertig und bietet die Chance Leistungsschwächen oder soziale Benachteiligung einzuebnen – auch wenn dafür natürlich ein Mehr an Lehrkräftestunden erforderlich ist.
- Zu Ziffer 3.2.8: Die Einrichtung von Verfügungsstunden wird ausdrücklich begrüßt. Dass dafür jedoch zusätzliche Lehrkräftestunden nicht beansprucht werden können, ist sinnentfremdend und muss daher kritisiert werden.
- Zu Ziffer 3.3.1, letzter Absatz:
Es erschließt sich nicht, warum nach § 96 NSchG (korrekt ausweislich der Ausführungen unter Ziffer 3.2.2 wohl: § 96 Abs. 3 Satz 1 NSchG) nur der Schulelternrat und nicht auch die Schülerinnen- und Schülervertretung (wie auch in Ziffer 3.2.2 genannt) angehört werden soll.
Zudem wird die Kürzungsmöglichkeit beim Fach Gesellschaftslehre des Pflichtbereiches zugunsten von Wahlpflichtunterricht aus Gründen der Stärkung der Demokratiebildung abgelehnt.
Der in Satz 2 dieses Absatzes enthaltene Verweis auf Ziffer 3.3.1 ergibt keinen Sinn, weil sich der Verweis selbst in Ziffer 3.3.1 wiederfindet.
- Zu Ziffer 3.3.2, dritter Absatz: Die erweiterte Abwahlmöglichkeit der zweiten Fremdsprache wird ausdrücklich begrüßt. Dieses schützt Schülerinnen und Schüler vor einer (partiellen) Überforderung und der Gefahr, dass durch (sehr) schlechte Noten in der zweiten Fremdsprache ein weitergehender Schulabschluss gefährdet wird.
- Zu Ziffer 3.3.2, letzter Absatz: Insbesondere vor dem Hintergrund der dem Landeselternrat erst vor kurzer Zeit geschilderten Situation bei der Anwahl von zweiten Fremdsprachen, ist es nicht nachvollziehbar und nicht mehr zeitgemäß, Schulen zu untersagen eigenverantwortlich darüber zu entscheiden, ob diese als zweite Fremdsprache z.B. nur Spanisch anbieten; das alleinige Angebot von Französisch hingegen zu ermöglichen. Es steht mithin die Frage im Raum, ob tatsächlich zwischenstaatliche Regelungen zwischen der Französischen Republik einerseits und der der Bundesrepublik Deutschland andererseits das alleinige Angebot einer zweiten anderen Fremdsprache als Französisch untersagen.
- Zu Ziffer 6.3.1.2, Absätze 1, 2 und 3: Es erschließt sich nicht, warum nach § 96 NSchG (korrekt ausweislich der Ausführungen unter Ziffer 3.2.2 wohl: § 96 Abs. 3 Satz 1 NSchG) zu allen drei Punkten bzw. in allen drei Absätzen nur eine Anhörung des Schulelternrates und nicht auch der Schülerinnen- und Schülervertretung (wie auch in Ziffer 3.2.2 genannt) vorgesehen ist.
- Zu Ziffer 6.3.2: Vor dem Hintergrund der Ausführungen in Satz 4 („Auf der anderen Seite können hier auch Angebote für besonders leistungsstarke Schülerinnen und Schüler konzipiert werden.“), welche ausdrücklich begrüßt werden, wird angeregt, die Überschrift dieser Ziffer wie folgt auszugestalten: „Förderunterricht / Forderunterricht“.
- Zu Ziffer 8.1: Der gewählte Satz „Die Grundschulen erhalten im Rahmen der Zusammenarbeit eine Rückmeldung über den Schulerfolg ihrer ehemaligen Schülerinnen und Schüler“ lässt Interpretationsmöglichkeiten dahingehend offen, ob dieses individuell zu einzelnen Schülerinnen und Schülern erfolgen soll / darf, oder nur generalisierend. Individuelle Rückmeldungen sind dabei aus Datenschutzaspekten selbstverständlich abzulehnen. Eine entsprechende Klarstellung ist erforderlich.
- Zu Ziffer 9.1: Auch wenn der Hinweis, dass die Vorgaben für die Beteiligung der Erziehungsberechtigten bereits im Schulgesetz geregelt sind zunächst abstrakt betrachtet erst einmal durchaus zutreffend ist, zeigt die schulische Praxis hingegen, dass die Beteiligung von Erziehungsberechtigten bei schulischen Belangen und Entscheidungsprozessen nicht stets im Fokus der schulseitig Handelnden steht. Eine weiterhin ausdrückliche Erwähnung im Sinne der bisherigen Formulierung wird daher als notwendig und zielführend erachtet.
- Zu Ziffer 9.3: Die beabsichtigte Streichung der ergänzenden Klarstellung „letztere [Einzelberatungen] können auch in Form von Hausbesuchen erfolgen“ kann mit der genannten Begründung (die Form der Einzelberatung soll offen bleiben) nicht nachvollzogen werden. Die bisherige Formulierung „kann“ führt nämlich bereits bisher bereits zu keiner Festlegung der Form der Einzelberatung, avisiert diese jedoch als Option, auf welche in besonders gelagerten Einzelfällen seitens der Lehrkräfte unter Hinweis auf die einschlägige Erlassregelung zurückgegriffen werden kann. Dieses hat sich aus Sicht des Landeselternrates bewährt.
- Zu Ziffer 10.: Hier sollte klarstellend der Hinweis aufgenommen werden, dass Mitglieder der Schülerinnen- und Schülervertretungen in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben und Befugnisse nicht behindert und wegen ihrer Tätigkeit, auch nach ihrem Ausscheiden aus der Schülerinnen- und Schülervertretung, nicht benachteiligt werden dürfen. Zudem, dass durch die übrigen Beteiligten des Schullebens ein wertschätzender Umgang mit den Mitgliedern der Schülerinnen- und Schülervertretung, insbesondere in ihrer Funktion, zu erfolgen hat.
- Zu Ziffer 11. (neu): Bezug nehmend zu den Ausführungen zu Ziffer 10 erscheint es konsequent und klarstellend auch eine neue Ziffer 11. mit der Überschrift „Mitwirkung der Eltern in der Schule“ aufzunehmen. Die inhaltliche Ausgestaltung sollte in einer Analogie zu den Inhalten des zur Mitwirkung der Schülerinnen und Schüler Ausgeführten (soweit sinnstiftend) erfolgen.
Abschließend hat der Landeselternrat erörtert, dass hinsichtlich der „alternativen Leistungsnachweise“ auf Seite 37 der Synopse (zu Ziffer 7.5, Spalte 3) von einer „Umsetzung der Ergebnisse der Dialogforen“ gesprochen wird. Die Frage steht dahingehend im Raum, welcher Personenkreis an den genannten Dialogforen beteiligt war und ob auch Elternvertreterinnen und -vertreter rechtzeitig eingebunden worden sind.
Der Landeselternrat würde einen weiteren Austausch zu dem eingangs genannten Kernkritikpunkt aber auch zu den folgend ausgeführten Aspekten ausdrücklich begrüßen.